Was können wir aus den Landtagswahlen ableiten

Wahlausgang in Thüringen und Sachsen – welche Rückschlüsse lassen sich daraus ableiten für die kommende Zeit.



Hat Wolfgang Thierse recht, wenn er schreibt: „Das darf man nicht vergessen: Fremden- und Minderheitenfeindlichkeit, Antisemitismus, Demokratieverachtung waren immer Teil ostdeutschen Lebens und Empfindens, schon zu DDR-Zeiten.“ (Publik-Forum, 17/2024)

Lässt sich das in solcher einfachen Form auf den Punkt bringen, oder ist das Problem nicht vielschichtiger?

Macht sich eine „Demokratieverachtung“ durch gestiegene Wahlbeteiligung deutlich, oder müsste einem an der Stelle nicht ein Widerspruch auffallen? Höhere Wahlbeteiligung ist keine Demokratiefeindlichkeit oder -müdigkeit, sondern ein Zeichen für aktive Beteiligung als wählende Person, die Interesse an diesem Staatswesen hat.

Der Wahlausgang zeigt, dass es eine Konzentrierung auf „Opposition“ im Allgemeinen und auf AfD und BSW im Besonderen gab.

Die AfD als belegter maßen rechtsextreme Partei, damit gegen die Demokratie als Staatsform agitierend. Thierse schrieb, dass Aspekte rechten Denkens Teil des ostdeutschen Lebens war und ist. Aber auch im Westen gab es verschiedentlich in den 80er und 90er Jahren Befragungen, die dazu kamen, das zwischen 10 und 15% der Wahlberechtigten ein festes rechtes bis rechtsextremes Weltbild hätten. Eine deutsch-deutsche Gemeinsamkeit, sozusagen. Wenn wir in westeuropäische Nachkriegsdemokratien schauen, gab es in allen eine auch im Parlament abgebildete rechte Partei, manchmal sogar in Regierungen. So gesehen ist Deutschland nach der Vereinigung der beiden separaten Staaten in der europäischen Normalität angekommen. Erschreckend ist an der Stelle nur die Höhe der Wahlzustimmung für die rechte/extreme Rechte in den beiden Bundesländern.

Das BSW liegt quer zu den bisherigen Einteilungen in Rechts und Links und scheint einen Nerv bei vielen zur Wahlgehenden getroffen zu haben.

Bei der Nachfrage bei Wählenden gab es für die Wahlentscheidung ähnlich klare Aussagen, egal bei AfD oder BSW Stimmabgabe. Über 44% gaben massive Enttäuschung am Verhalten der bisherigen Parteien an. Die Parlamentsparteien würden ihre Inhalte wechseln, man könne sie nicht mehr inhaltlich voneinander unterscheiden, sie würden nur an ihr eigenes Portemonnaie und eigene Macht denken und nicht mehr an die Bevölkerung. Bei BSW wählenden kommt die mangelnde Bereitschaft für Waffenstillstands-, bzw. Friedensverhandlungen der etablierten Parteien dazu, bezogen auf die Ukraine und den Genozid in Gaza.

Also ca die Hälfte der Wähler ist noch nicht festgelegt.

Warum gab es keine Wahlentscheidung zu den anderen Wahlbewerbern, wie den Piraten? Viele an der Wahl Teilnehmende haben zu wenig Vertrauen in bisherige Kleinparteien, bzw. sie sind ihnen zu unbekannt. Und die klassische „Angst“ eine Verlorene Stimme wegen der 5% Hürde, abgegeben zu haben.

Verlorene Stimmen, also Wähler, deren Stimme sich nicht bis ins Parlament durchträgt, in Thüringen ca. 10%, in Sachsen mit 9% leicht weniger. In beiden Ländern kommen aber noch ca. 25% der Wahlberechtigten als Nichtwähler hinzu. (Thüringen 26,4% Nichtwählende, Sachsen 25,6%). In beiden Ländern über ein Drittel der wahlberechtigten Bürger, die sich nicht im Parlament mit ihren Meinungen abgebildet finden.

Aufgabe kann also sein, nach anderen, repräsentativen Beteiligungsformaten zu suchen, die die Partizipation an der gesellschaftlichen Gestaltung effektiv fördern.

Wie lassen sich die von anderen Parteien enttäuschten Wählenden zurückgewinnen für Stimmabgabe für demokratische Parteien. Dazu muss deutlich werden, wodurch die rechte Ideologie gefördert wird.

Historisch sehen wir, dass mit einfachen nationalistischen Lösungen, die zwar nicht funktionieren, aber erstmal nett klingen, Werbung gemacht wurde. Darauf haben vor 100 Jahren die damaligen konservativen und liberalen Parteien diese Positionen zum Teil übernommen und sind ende der 20er Jahre und 1930 Landesregierungen mit der NSDAP eingegangen und haben diese dadurch „hoffähiger“ gemacht.
100 Jahre später erlebten wir dasselbe Spiel noch einmal. FDP lässt sich von AfD zum Ministerpräsidenten wählen; scheiterte in dem Jahr, aber öffnet falsche Wege. Friedrich Merz übernimmt viele Positionen der AfD als Unionspolitik und verschiebt den politischen Diskurs in unserer Gesellschaft nach Rechts.
Genau wie damals öffneten heute Union und liberale die Pforten und machten rechtsradikale Ideologie hoffähig. Aber dabei blieb es nicht. 2022 stellte die AfD einen Antrag, Flüchtlinge in Drittstaaten zu behandeln und wegzuschicken, da in den Staaten das Grundgesetz nicht gilt und sich deshalb nicht daran gehalten werden müsse. Das ist inzwischen Gesetz, durch die Mehrheit der Bundestagsparteien. Ebenso mit Zwangsarbeit für Asylbewerber, die Arbeitsverbot haben, für 80 Cent Stundensatz. Wir erinnern uns an den Versuch, Einschränkung des Presserechtes zu erreichen, den Bundesministerin Nancy Faser gegen das Grundgesetz versuchte durchzusetzen. Oder die sog. Bezahlkarte, die gegen Menschenrechte und das Grundgesetz eingeführt wurde. Geld an Familienangehörige zu senden ist danach illegal, obwohl Familie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht. Alles Änderungen durch die demokratischen Parteien, die in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der AfD eingeführt und durchgeführt werden, was der AfD nur mehr Wählende zutreibt.
Aber auch im Kleinen wird von VertreterInnen der klassischen Parteien der AfD zugearbeitet.
Beispiele: CDU und Linke in Schwerin haben einen Antrag auf Abbau demokratischer Möglichkeiten in der Stadtvertretung gestellt und gleichzeitig mehr Geld für die Stadtvertreter gefordert. Wasser auf die Mühlen der AfD Propaganda zu dem bürgerfeindlichen Verhalten der Parteien, die nur an eigenen Gewinn und Macht denken würden. Der Linken Fraktionsvorsitzende in der Schweriner Stadtvertretung hat bei dem Posten als stellv. Ausschussvorsitzender seine Kandidatur zurückgezogen, um den Platz jemanden von der AfD zu überlassen. Ein FDP Politiker hat vorgeschlagen, eine AfD Politikerin zur Ausschussvorsitzenden zu Wählen – für den Bereich „Bildung, Sport, Soziales, Gesundheit, Integration“, leider erfolgreich, da es auch von Vertretern anderer demokratischer Parteien unterstützt wurde, gegen eine SPD Politikerin. Diese Liste der Kollaboration ließe sich fortsetzen. Damit wird die AfD gestärkt und Demokratie sowie Demokratieverständnis zersetzt, nicht durch AfD PoltikerInnen, sondern durch VertreterInnen demokratischer Parteien.

Ich gehe davon aus, dass dem Rechtsruck widerstanden werden muss – und kann! Gegenhalten mit Demokratieausbau, Stärkung des Grundgesetzes, der Menschenrechte und des internationalen Rechtes ebenso wie Unterstützung für die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs und des internationalen Strafgerichtshofes.
Wir müssen aber auch Kritik an Übernahme von AfD Positionen durch Personen anderer Parteien deutlich ansprechen. Wie die Beispiele oben zeigen, wird durch inhaltliche Übernahme von rechter Ideologie nur der Rechtsruck beschleunigt, Demokratieabbau befördert.

Partizipation, offene Debatten, mehr Demokratie und das Handeln auf der Basis der Menschenrechte sollte unsere Antwort sein, ebenso wie die Zusammenarbeit mit allen demokratischen Personen, egal in welcher demokratischen Struktur sie beheimatet sind.
karsten

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